Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky
Erscheinungsjahr:
2008
Medientyp:
Text
Schlagworte:
Psychopathologisierung
Der Sturm
Irrsinn
Psychiatriegeschichte
150 Psychologie
44.01 Geschichte der Medizin
Psychiatrie
Kunst
Expressionismus
Wahnsinn
Kunstkritik
Avantgarde
Kunstzeitschrift
Öffentlichkeit
ddc:150
Psychiatrie
Kunst
Expressionismus
Wahnsinn
Kunstkritik
Avantgarde
Kunstzeitschrift
Öffentlichkeit
Beschreibung:
Der Expressionismus gilt, besonders in seinen Anfängen, als scharfe, intensive und freie Kunst in einer spannungsreichen Zeit. Die im Spannungsfeld von Tradition und Moderne entstandene künstlerische, angriffslustige, umbruchfordernde und starke Expressivität eröffnete vielfältige Berührungspunkte zu seelischem Leid und fremdartigem Fühlen und Denken. Die Psychopathologisierung dieser modernen Kunst in der Öffentlichkeit, auch unter Einbeziehung der Expertise von namhaften Psychiatern, bot eine Möglichkeit, diese befremdlichen Kunstphänomene in das große Gebiet der Geisteskrankheiten und der Verrücktheit einzuordnen. Damit wurde die Avantgarde mit ihren Werken als unzurechnungsfähig im Feld der Psychiatrie verortet. Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht die Analyse der Psychopathologisierung als Deutungsmuster für Werke bildender Kunst der Avantgarde in der zeitgenössischen Presse. In der hier vorgenommenen Betrachtung der Mechanismen Psychopathologisierung spielt zum einen die Auseinandersetzung mit dieser den Begrifflichkeiten des Normalen bzw. Unnormalen, zum anderen die Bedeutung des Stigmas „Irresein" für Künstler und ihre Werke, aber auch für Kunstpublikum und Psychiater, eine zentrale Rolle. Hauptquelle dieser Arbeit ist die expressionistische Künstlerzeitschrift DER STURM, die von 1910 bis 1932 erschien. In hier veröffentlichten Artikeln zeigte sich, dass der Umgang mit dem Stigma „Irresein" zunächst nur zwischen Kunstpublikum und Künstlern, also medizinisch-psychiatrischen Laien, stattfand und bis zu dem Zeitpunkt von aggressiver Polemik zeugte, zu dem die psychiatrische Expertise sich in die Diskussion einbrachte: Psychiater legitimierten den Standpunkt des Kunstpublikums durch ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse, erweiterten damit gleichzeitig die Deutungsmacht ihres Faches auf kulturelle Belange. Während Kunstpublikum und Psychiater größtenteils „unidirektional" agierten, also diffamierend gegen die moderne Kunst, verdeutlicht die Analyse dieser Psychopathologisierung der Kunst, dass Künstler in vielfältiger Weise mit diesem Deutungsmuster umgingen und dabei u.a. auch Kritik an der psychiatrischen Expertise übten.