Während sich die zahlreichen bisherigen Publikationen zu den beiden LEO-Studien von 2010 und 2018 zumeist innerhalb des Diskurses um Alphabetisierung und Grundbildung verorten lassen, nimmt dieser Beitrag einen Perspektivwechsel vor hin zu einer komplementären medienpädagogischen Sichtweise. Er betrachtet die Nutzung audiovisueller digitaler Praktiken durch verschiedene Subgruppen der erwachsenen Bevölkerung. Eine empirische Bestandsaufnahme verdeutlicht, dass neben sehr jungen Erwachsenen auch Erwachsene, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben, und Personen, die nicht monolingual mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind, besonders häufig audiovisuelle Formate wie Sprachnachrichten oder Online-Tutorials nutzen. Ausgehend von diesem Befund werden zwei Sichtweisen kontrastiert: zum einen die Lesart von audiovisuellen Formaten als Vermeidungsstrategie, wie sie im Grundbildungsdiskurs gelegentlich aufscheint, und zum anderen eine medienpädagogische Sichtweise, die diese Medienformate als eine gesellschaftlich relevante Erweiterung von Handlungsoptionen betrachtet. Der Forschungsertrag des Beitrags liegt in der Eröffnung neuer Thesen zur Interpretation der empirischen Daten unter Berücksichtigung anderer Theoriefolien.