Mit unserem Beitrag zu den Rückwirkungen der deutsch-türkischen Wirtschafts- und Kulturbeziehungen nach der Wende zum 20. Jahrhundert in Deutschland nehmen wir exemplarische Akteure, ihre Visionen für die Zukunft und Gründe für die Transformationen der damaligen bilateralen Beziehungen in den Blick. Dabei erproben wir das Konzept des Bildungsraums und stellen Ergebnisse und Überlegungen zur Diskussion, die im DFG-Projekt 'Das Wissen über 'Türken' und die 'Türkei' in der Pädagogik. Analyse des diskursiven Wandels 1839-1945' entstanden sind. In der Wilhelminischen Ära erfuhren die deutschen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen gegenüber dem Osmanischen Reich eine ausgeprägte semikoloniale Ausrichtung, die auch kulturpolitisch unterfüttert wurde. Es war die Stunde von Pädagogik und Lehrerschaft, die, stolz auf ihren Anteil an der Bildung der Nation, seit Gründung des Deutschen Reichs ein Bewusstsein zivilisatorischer Überlegenheit nährten. Die sich intensivierenden deutsch-türkischen Beziehungen eröffneten ihnen ein vielversprechendes Betätigungsfeld. Das Interesse der osmanischen Regierung richtete sich auf die Aneignung von Modernisierungswissen für den Aufbau einer 'neuen Türkei' als Nationalstaat nach westlichem Vorbild. Die 1908 an die Macht gelangten Jungtürken suchten die Zusammenarbeit, um ihre Reformpläne voranzutreiben. Aus dieser Konstellation heraus, die bis zur 'Waffenbrüderschaft' im Ersten Weltkrieg reichte, entstanden deutsch-türkische Netzwerke, die die militärische, wirtschafts-, kultur- und bildungspolitische Zusammenarbeit der beiden Reiche beförderten. Der Beitrag verfolgt desgleichen die türkischen Bildungsreformschritte unter den nach 1918 erheblich veränderten Rahmenbedingungen und den Vorzeichen der internationalen reformpädagogischen Bewegung.