Bandscheibenoperationen:Patientenerfahrungen, Indikationsqualität und Notfallkodierung

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Autor/in:
Beteiligte Personen:
  • Böcken, Jan
  • Braun , Bernard
  • Meierjürgen, Rüdiger
Verlag/Körperschaft:
Verlag Bertelsmann Stiftung
Erscheinungsjahr:
2016
Medientyp:
Text
Schlagworte:
  • Versorgungserfahrung
  • Schmerztherapie
  • Bandscheibenvorfall
  • Bandscheibe
  • Rückenschmerzen
  • Taubheitsgefühl
Beschreibung:
  • Die Zahl der Bandscheiben-OPs in Deutschland ist von 97.000 im Jahr 2005 auf 130.500 im Jahr 2014 gestiegen. Das ist erstaunlich, weil Schmerzen an der Bandscheibe ohne Notfallanzeichen gemäß Experten-Leitlinie zunächst konservativ behandelt werden sollen. Zudem ist die konservative Behandlung mittelfristig ähnlich effektiv wie eine Operation und birgt wesentlich weniger Risiken. Eine aktuelle Studie des Gesundheitsmonitors hat daher die Patienten mit Bandscheiben-OPs zu ihren Erfahrungen vor, während und nach dem Eingriff befragt und untersucht, inwiefern die Operationen aus medizinischer Sicht nötig gewesen sind.

    Ein typisches Notfallanzeichen für einen Bandscheibenvorfall sind Taubheitsgefühle. Zwar haben das 41 Prozent der OP-Patienten angegeben; insgesamt sind aber nur fünf Prozent tatsächlich Notfälle gewesen. Zudem haben sich 29 Prozent der ‚Normalfälle’ – bei denen sicher kein Notfall vorlag – operieren lassen, ohne vorher eine konservative Therapie anzunehmen. Da passt es ins Bild, dass fast jede dritte OP, die die Krankenhäuser 2014 als „Notfall“ kodiert haben (32 Prozent), gar keiner gewesen ist und auf der Gegenseite 19 Prozent der tatsächlichen Notfälle nicht erkannt worden sind. Im Jahr 2014 sind damit ca. 8.400 Patienten vorschnell an der Bandscheibe operiert worden, meistens aus Sorge darüber, sonst ihren Job verlieren zu können. Immerhin: Die Studie hat auch gezeigt, dass die Patienten, die sich vor der OP im Krankenhaus beraten lassen oder eine Zweitmeinung einholen, seltener direkt operiert werden.

    Die hohe Anzahl unnötiger Bandscheiben-OPs und die vielen falschen Notfall-Kodierungen in Deutschland im Jahr 2014 beunruhigen die Autoren. Um dem entgegenzuwirken, empfehlen sie, das Beratungs- und Zweitmeinungsangebot sowie die konservativen Behandlungsmöglichkeiten von Bandscheibenvorfällen in Deutschland zu stärken: Der Gesetzgeber sollte mehr Geld in Werbung und Aufklärung der Bürger investieren, um so die Ängste vieler Patienten zu lindern, zum Beispiel, dass sie ohne eine OP ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Weniger Bandscheiben-OPs sind laut den Autoren auch volkswirtschaftlich interessant: Denn jeder Eingriff kostet etwa 4.350 Euro; allein 2014 entstanden also Kosten von 36,54 Millionen Euro durch womöglich überflüssige Bandscheiben-OPs.
Lizenz:
  • info:eu-repo/semantics/restrictedAccess
Quellsystem:
Forschungsinformationssystem der UHH

Interne Metadaten
Quelldatensatz
oai:www.edit.fis.uni-hamburg.de:publications/af5da07d-1791-483e-b078-650a52426761