Die vorliegende Studie untersucht das Beschaffungswesen der Bundeswehr, das in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand kritischer Medienberichterstattung war, aber auch im Blickpunkt parlamentarischer Untersuchungen stand (Untersuchungsausschuss Eurohawk, Befassungen des Verteidigungsausschusses mit der G 36-Beschaffung, der Sanierung der Gorch Fock u.a.). Mit dem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr, das Bundeskanzler Olaf Scholz wenige Tage nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine ankündigte, sollen nun zahlreiche voluminöse Beschaffungsvorhaben wie der Kauf schwerer Transporthubschrauber oder des Kampfflugzeuges F-35 finanziert werden. Das Beschaffungswesen steht vor einer historisch nahezu einmaligen Herausforderung: Den plötzlichen Mittelzufluss in Höhe von zwei kompletten Jahreshaushalten der Bundeswehr in den nächsten Jahren in Beschaffungen zu übersetzen, die - wie von der Bundesregierung zum Ziel gesetzt - eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr zum Ergebnis haben. Die Ergebnisse dieser Studie begründen erhebliche Zweifel, dass dieses Ziel ohne eine Verschwendung enormer finanzieller Mittel erreicht werden kann. Die Hauptproblemfelder: - Defizite in der Wirtschaftlichkeit der Rüstungsbeschaffung sind in Deutschland stärker ausgeprägt als in anderen Staaten. - Fragliche Schwerpunktsetzungen: Nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 profitierte insbesondere die Marine von den Steigerungen im Verteidigungshaushalt; im Hinblick auf die Landesverteidigung wäre aber insbesondere die Stärkung des Heeres folgerichtig gewesen. - Nationale Interessen dominieren europäische Gemeinschaftsvorhaben – Kostenvorteile entstehen so nicht. - Europäische Gemeinschaftsvorhaben werden durch unwirtschaftliche Arbeitsteilung und Sonderwünsche der Streitkräfte stark verteuert. - US-amerikanische Anbieter wurden nicht gleichberechtigt behandelt, so dass günstigere Alternativen nicht beschafft wurden. - Fokussierung auf die technologisch anspruchsvollste Lösung führt zu Kostensteigerungen in der Entwicklung und zur kostenintensiven Weiternutzung veralteten Materials, das wegen Entwicklungsverzögerungen weiterbetrieben werden muss. - Streben nach neuester Technologie ist in beträchtlichem Maße von Sekundärinteressen getrieben: Prestigedenken in Streitkräften und Politik, Interesse der Industrie an Umsatz und Gewinn. Dies, obwohl das Kriegsgeschehen in den letzten Jahrzehnten zeigt, dass technologisch überlegene Kriegsparteien diese Überlegenheit selten in militärische Überlegenheit ummünzen konnten. Die Folge: Die Mehrkosten der Beschaffungen von Großwaffensystemen lagen in den letzten Jahren zwischen 35 % und 54 %. Eine grundlegende Reform des Beschaffungswesens in Deutschland ist notwendig. Dabei müssen die Sekundärinteressen der beteiligten Akteure eingehegt werden. Ohne eine solche Reform wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein zweistelliger Milliardenbetrag aus dem Sondervermögen verschwendet werden.