Betrachtet man die Frage, was in der Schule lehrenswert und lernenswert sei und was so die Bildung der nachwachsenden Generation erzeugen soll, abgetrennt von der Frage, zu welchem gesellschaftlichen Zweck dies entschieden wird und wer diesen Zweck setzt, so kann man sich dem Bildungsproblem auf kontemplative Weise zuwenden. Was ein gebildeter Mensch ist und was nicht, welches Wissen, welche Fähigkeiten und Haltungen er innehaben muß und welche nicht, kann ohne Bedenken der Machtfrage in entspannter Manier diskutiert werden. Eingedenk der Machtfrage aber ergibt sich die Brisanz des Themas. Denn die Erwägung und Entscheidung darüber, was bezüglich Allgemeiner Bildung Allgemeingültigkeit haben soll, schließt ein, daß damit auch die Linien von Inklusion eines Teils der Menschen und Exklusion anderer gezeichnet sind. Dies gilt zumal, da nach geläufiger Vorstellung Schulbildung den Status von Bildung schlechthin besitzt: ein Erfolg des Umstands, daß mit der Herausbildung des Nationalstaats die öffentliche Schule als Anstalt der Vermittlung und Testierung allgemeiner Bildung etabliert wurde. Darin zeigt sich, neben anderem: Allgemeingültigkeitsentscheidungen werden in bestimmten historischen Machtkonstellationen getroffen, gehen auf in rechtlichen und organisationellen Strukturen und Regelungen, im Kanon allgemeiner Bildung — und nehmen so im Lauf der Zeit den Anschein des Unhintergehbaren an.